Theodoros Alexopoulos:
Menschenrechtepädagogik aus orthodoxer Sicht – Die Orthodoxe Kirche als Zeugin der Liebe in der Diakonie ist sich immer der brennenden und aktuellen Fragen, welche die gesamte Menschheit beschäftigen, bewusst und versucht immer eine Konstruktive Stellung dazu zu beziehen. Eine der wichtigsten Fragen, mit denen sich die orthodoxe Kirche verpflichtet fühlt, im Rahmen Ihrer Sendung in der Welt auseinanderzusetzen, ist die Frage der Menschenrechte und deren Begründung. Heute sind die Menschenrechte integraler Bestandteil des kirchlichen Zeugnisses in der Welt und der heutige dominante Diskurs über die Menschenrechte bezieht sich auf die Frage Ihrer Begründung, Ihrer Anwendbarkeit sowie Ihrer universalen Gültigkeit. Der Grundbegriff der orthodoxen Anthropologie in der Begegnung mit den Menschenrechten ist der Begriff des nach Gottes Bild und Gleichnis geschaffenen Menschen (Gen. 1, 26). Die Ebenbildlichkeit, deren zentrales Element die Freiheit ist, gibt dem Menschen die höchste Würde, die unveräußerlich ist. Die Haltung der vierzehn Orthodoxen Autokephalen Kirchen gegenüber den Menschenrechten ist nicht einheitlich. Leider gibt es in der Orthodoxen Welt Kreise und Personen, welche die modernen Menschenrechte als Gefahr für die orthodoxe Identität betrachten. Man sollte berücksichtigen, dass die Menschenrechtsthematik auf verschiedenen Ebenen zu beobachten und zu untersuchen ist; beispielsweise auf der Ebene der theoretischen Systeme und Ansätze, der pädagogischen Institutionen oder auch der Praxis, d.h. bei der praktischen Umsetzung von Menschenrechtsideen im Umgang mit Minderheiten aller Art, wobei all diese Ebenen nicht unbedingt identisch oder deckungsgleich funktionieren. Da die interkonfessionelle als auch die interreligiöse Begegnung ein prägendes Merkmal der modernen österreichischen Gesellschaft und des Schulwesens ist, sollte die Menschenrechtepädagogik ein wesentlicher Bestandteil des Religions- und des Ethikunterrichts sein.
Dilek Bozkaya
Aus alevitischer Perspektive betrachtet, kann Menschenrechtspädagogik als ein Ansatz verstanden werden, der darauf abzielt, das Bewusstsein für die grundlegenden Prinzipien der Menschlichkeit zu schärfen, wie sie im alevitischen Glauben verankert sind. Dies beinhaltet die Betonung von Werten wie Toleranz, Gleichberechtigung, Solidarität und Respekt vor der Vielfalt, die im alevitischen Glauben eine wichtige Rolle spielen. Die alevitische Tradition legt großen Wert auf soziale Gerechtigkeit und die Würde jedes einzelnen Menschen, unabhängig von seiner religiösen Zugehörigkeit, ethnischen Herkunft oder sozialen Status. Die Prinzipien der Menschenrechte können gut mit den Werten und Überzeugungen des alevitischen Glaubens verknüpft werden. Als Lehrende am Institut für Alevitische Religion ist die Menschenrechtspädagogik ein fester Bestandteil meiner Lehre und unerlässlich.
Karin Anna Ertl
Zwar lässt sich der Begriff „Menschenrecht“ in den kanonischen Texten des Buddhismus nicht ausmachen, jedoch ist der Grundgedanke der Idee der Menschenrechte durchaus im Buddhismus zu finden, denn die grundlegenden Normen der in der Deklaration genannten Rechte sind in der buddhistischen Ethik wahrzunehmen. Folgende Wertvorstellungen des Buddhismus stützen die Idee der Menschenrechte:
- Gleichheit der Menschen
- Buddhistisches Gleichheitsprinzip aller Individuen bezogen auf Gleichmut (Respekt und Wertschätzung gegenüber den Anderen, Interdependenz) und Buddhanatur (Erleuchtungspotential aller Lebewesen, Karma-Lehre)
- Universelle Verantwortung (Engagement im Hier & Jetzt)
- Praxis der Achtsamkeit und Praxis des Austauschs von Selbst und Anderen (Empathiekompetenz)
Das buddhistische Gleichheitsprinzip bezieht sich nicht nur auf Menschen, sondern auf alle Lebewesen, auch Tiere, die nach buddhistischer Überzeugung Geist oder Bewusstsein haben und deshalb Glück und Leid empfinden können. Folglich wäre eine Erweiterung der Menschenrechte, die die Verantwortung des Menschen inkludiert und im Sinne eines Zusatzes, basierend auf einem interkulturellen und interreligiösen Dialog, formuliert wird, denkbar.
Was alle Lebensformen verbindet ist die gemeinsame Erfahrung des Leidens und diese gilt es zu vermeiden, wenigsten aber zu mildern. So verstanden kann man das Ziel der Leidvermeidung als den allgemeinen Begriff dessen auffassen, was in der Menschenrechts-Deklaration definiert wurde. Demgemäß sind Buddhist:innen der Überzeugung, dass die Menschenrechte für alle Menschen, unabhängig von ihrer rassischen, ethnischen, kulturellen oder religiösen Herkunft, Geltung haben.
Die Feststellung, das die Menschenrechte in der Vernunft gründen, kann ebenso und durchaus von Buddhist:innen geteilt werden, allerdings wird Vernunft im Buddhismus als geistige Möglichkeit verstanden, die sich – abhängig von Gewohnheit und Erkenntnis – als Denkform zum Vor- oder Nachteil der Menschen entfalten kann. Das im Buddhismus im Mittelpunkt stehende Geistestraining zielt auf die Erkenntnis- und Einsichtsfähigkeit (fast) jedes Individuums ab: Die Menschen sollen selbst erkennen und aus dieser Einsicht heraus handeln. Dazu bedarf es einer entsprechenden erzieherischen, bildenden Tugend- und Ethiklehre und vorbildlicher Lehrkräfte, die diese Erziehungs- und Bildungsarbeit im Sinne einer Menschenrechtspädagogik leisten.
Gabriele Hösch-Schagar
Menschenrechtspädagogik bedeutet für mich, achtsam mit unseren Nächsten und unserem Planeten umzugehen, damit wir friedlich auf dieser Erde zusammenleben und eine „enkeltaugliche Welt“ hinterlassen können. Als Lehrende im Bereich der „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE) sind für mich die Prinzipien und Ziele einer nachhaltigen Entwicklung untrennbar mit den universellen Menschenrechten verbunden. Menschenrechtsschutz und Umweltschutz bedingen sich gegenseitig und müssen gemeinsam gestärkt werden, um das Recht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Welt zu gewährleisten. Um den Studierenden die dafür notwendigen Kompetenzen und Werte zu vermitteln, ist die Ermöglichung transformativen Lernens ein wesentlicher Bestandteil meines Lehrverständnisses.
Birgit Moser-Zoundjiekpon
Menschenrechtspädagogik ist aus meiner Sicht die Kunst, den Inhalt von Menschenrechten verständlich und praxisorientiert zu vermitteln. Ausschlaggebend ist dabei, das Verständnis dafür zu wecken, dass Menschenrechten immer auch Menschenpflichten immanent sind. Das Funktionieren eines Systems von Menschenrechten ist daher wesentlich darauf angewiesen, dass sich alle Beteiligten (inklusive des Staates und seiner Vertreter:innen) die zugrunde liegende, unabdingbare Menschenwürde gegenseitig zusprechen und diese respektieren. Achtung vor dem:der Anderen zu haben, aufeinander zu hören, und argumentativ sprachfähig zu sein, sind für mich die Grundlagen einer Demokratie, im Rahmen derer Menschenrechte gelebt werden können. Diese Grundlagen sind den Schüler:innen in allen Gegenständen zu vermitteln – nicht zuletzt durch das gelebte Vorbild der Lehrperson.
Paul Tarmann
Was sind Menschenrechte und wie können diese begründet werden? Oder anders gefragt: Können diese überhaupt begründet werden? Und warum sprechen wir in diesem Zusammenhang auch von Menschenpflichten? Was bedeutet all dies für den Bildungsbereich, wie können Menschenrechte vermittelt werden? Welche „Tabus“ gibt es und wo fängt Indoktrination an? Wie ist mit Menschenrechten umzugehen, die in offensichtlichem Konflikt mit anderen Menschenrechten stehen?
Derzeit nehmen wir zahlreiche Menschenrechtsverletzungen in aller Welt wahr, weshalb das Thema Menschenrechte immer wieder neu in den Fokus unserer Aufmerksamkeit gerät. Friede, politische und ökonomische Gerechtigkeit sowie faire Chancen für alle Menschen sind nur einige der Themen, die durch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte gefordert werden.
Da Menschenrechte neben der rechtlichen und der politischen auch eine Werte-Dimension haben, kommt der Bildung eine besonders wichtige Aufgabe zu. Die KPH Wien/Krems möchte daher besonders durch die Fachstelle Menschenrechtspädagogik das Bewusstsein für die Wichtigkeit der Menschenrechte in der Forschung, der Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie in der öffentlichen Wahrnehmung vertiefen.
Es geht um grundlegende Bildung und Orientierung sowie die damit zusammenhängende Fähigkeit, gegenwärtige menschenrechtliche Herausforderungen zu identifizieren, zu interpretieren, mit der Theorie in Verbindung zu bringen und nicht zuletzt auf kontroverse Fragen und Unsicherheiten eingehen zu können. Das Ziel kann mit „Menschenrechtskompetenz“ überschrieben werden.