Tag des interreligiösen Dialogs (IRD)

Zum fünften Mal organisierte das Kompetenzzentrum für interkulturelles, interreligiöses und interkonfessionelles Lernen am 28. Februar 2022 den Tag des interreligiösen Dialogs.

© KPH Wien/Krems, Yeliz Luczensky

Am 28. Februar fand der 5. Tag des interreligiösen Dialogs statt. Thema war „Verantwortung der Religionen – Solidarisches Miteinander in einer angespannten Gesellschaft“. Klimaschutz, nachhaltige Lebensweise und Haltung, Solidarität, Verantwortung, gleiche Chancen für alle, Wertewandel, Schutz vor Gewalt,…Das sind einige Themen, mit denen sich unsere Gesellschaft intensiver denn je auseinandersetzt und zum Teil unsicher in die Zukunft blickt. Die letzten zwei Jahre waren zudem von der Corona-Pandemie gezeichnet. Die Diskussionen rund um diese Themen sind sehr unterschiedlich. Aber welche Verantwortung tragen die Religionen für das solidarische und friedliche Miteinander in einer angespannten Gesellschaft? Was können Religionen tun, um bspw. einer Kultur der Gleichgültigkeit entgegen zu wirken? Kann eine Religion alleine Verantwortung übernehmen oder müssen die Religionen zusammen diese Verantwortung übernehmen? Diese für den interreligiösen Dialog zentralen Fragestellungen wurden mit Referaten aus jüdischer, christlicher, islamischer, buddhistischer und alevitischer Perspektive behandelt.

Awi Blumenfeld erklärte, dass Jüdinnen und Juden Krisen, Kriege und Leid nicht hinnehmen und sie nicht als von Gott gewollt betrachten, da es in der Verantwortung des Menschen liegt dieses zu verhindern und die Welt zu verbessern. Denn Judentum bedeutet Aufruf zur menschlichen Verantwortung. Gott lehrt Jüdinnen und Juden, was sie tun sollen, er macht es aber nicht für sie. Dabei sollte die Balance zwischen Eigenverantwortung und Gemeinwohl gefunden werden. Der Bund mit Gott – die Partnerschaft des Menschen mit dem Schöpfer des Universums – ist als enorme Ermächtigung und tiefe Verantwortung zugleich zu sehen.
Aus christlicher Sicht erläuterte Jan Mickovic, dass die individuelle Menschenwürde zentral ist. Das Motiv des Urchristentums ist das eigene Leid und das Leid der anderen. Die Leidensfähigkeit erweckt Mitgefühl und in der Mitte der Dreifaltigkeit steht die Liebe, die geteilt wird, durch die sich Christinnen und Christ solidarisch erklären und kämpfen können.

Gernot Galib Stanfel führte in das Thema „Verantwortung“ aus islamischer Sicht ein. Für Musliminnen und Muslime gibt es zwei Verantwortungsbereiche: die Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft und gegenüber dem Einzelnen. Mit der Gemeinschaft sind auch andere Religionen inbegriffen. Der entscheidende Beitrag eines Individuums ist die Verantwortung für den Anderen. So ist jede*r unmittelbar für den Anderen mitverantwortlich und somit für die gesamte Schöpfung. Vor einer Tat gibt es die dafür gefasste Absicht. Die moralische Bewertung der Absicht obliegt aber Gott. Aktuell bedeutet das, keinen Rassismus in Bezug auf Hilfsbedürftige und Flüchtlinge zuzulassen, denn jedem der vor Krieg flieht muss geholfen werden. Denn Humanität darf von keiner Herkunft, keinem Aussehen, keiner Haarfarbe oder gar Religion begrenzt werden.

In den Arbeitsgruppen am Nachmittag haben Karin Ertl aus buddhistischer Perspektive und Erdal Kalayci aus alevitischer Perspektive vorgetragen. Die Intention des Buddhismus ist mit alltäglichen Erfahrungen von Leid umgehen zu können. Wie im Christentum, Judentum und Islam gilt auch im Buddhismus das Prinzip der Eigenverantwortung. Die Gesellschaft ist auf das Engagement ihrer Mitmenschen angewiesen und einzelne Handlungen müssen für die gesamte Gesellschaft tragbar sein. Die Handlungen werden durch die Motivation (= ethisches Maßstab) in bestimmte Bahnen gelenkt. Aus buddhistischer Perspektive hat der Geist positive und negative Tendenzen. Deshalb wird der Geist für eine klug durchdachte Geisteshaltung „trainiert“, z.B. durch Meditation und Achtsamkeitspraxis können Buddhistinnen und Buddhisten eine transpersonale Haltung üben. Ziel ist es die Dualität zwischen Ich und Du aufzuheben und so eine bedingungslose Liebe/Verbundenheit (wie eine Mutter ihr Kind liebt) zu erwirken. Im Alevitentum wird ausgehend vom Menschenbild der Friedensbegriff verstanden. Die Menschen bilden eine Einheit, da sie alle aus demselben göttlichen Licht erschaffen wurden. So tragen alle Verantwortung für die gesamte Schöpfung. Friede ist ein Gebot der zwischenmenschlichen und sozialen Beziehungen und zugleich das Mittel und der Weg sich selbst zu finden. Als Metapher für eine friedvolle Gesellschaft dient die Stadt des Einvernehmens, in der alle sich alles nehmen können, solange alle damit einverstanden sind und jeder seiner/ihren Beitrag leistet.

Geprägt war der 5. Tag des interreligiösen Dialogs auch von der Ukraine-Krise. Solidarisches Miteinander und die Verantwortung den Frieden aufrechtzuerhalten sehen alle Religionen und Konfessionen als ihre Aufgabe. „Wir stehen zum ukrainischen Volk und sprechen uns aus für seinen Frieden und seine Freiheit. Wir fühlen uns mit den Ukrainerinnen und Ukrainern verbunden. Ihre Not und ihr Leiden gehen uns nahe. Wir verurteilen die einseitige brutale Aggression der russischen Föderation gegen das ukrainische Volk. Die Verletzung der staatlichen Souveränität lehnen wir entschieden ab und erklären uns mit unseren ukrainischen Schwestern und Brüdern solidarisch.“ so die Teilnehmenden des 5. Tag des interreligiösen Dialogs.

© KPH Wien/Krems, Yeliz Luczensky

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