Raumbildung 6

7 RaumBildung Materialität und Wohlbefinden in Bildungsbauten Christina Kelz-Flitsch Dass die Materialität einen Einfluss auf das Wohlbefinden in Bildungsbauten hat, steht außer Frage. Aber über wel- che Mechanismen des menschlichen Organismus funktio- niert das? Was sind Materialien, die das Wohlbefinden un- terstützen oder mindern? Was hängt noch mit dem Thema Materialität im weiteren Sinne zusammen? Der folgende Text versucht Antworten aus Sicht der Architekturpsy- chologie, die sich mit der Wechselwirkung zwischen dem Menschen und der von (anderen) Menschen gestalteten Umwelt beschäftigt, zu geben. Eine Wohlfühlschule braucht mehr als ein Gebäude Fragt man Kinder oder auch Erwachsene nach Plätzen, an denen sie sich am wohlsten fühlen, bekommt man fast ausschließlich Orte in der Natur als Antwort (Korpe- la, Hartig, Kaiser & Fuhrer, 2001). Abgesehen davon gibt es eine Vielzahl wissenschaftlicher Belege dafür, dass der Aufenthalt in der Natur sowie in Gebäuden, die mit natür- lichen Materialien ausgestattet sind, zu einem erhöhten seelischen Wohlbefinden, zu mehr körperlicher Gesund- heit und sogar stärkerem sozialen Zusammenhalt in Grup- pen beiträgt (James et al., 2015). Der Trend geht aber in die entgegengesetzte Richtung. Kinder verbringen immer mehr Zeit im Innenraum. Oft wird nicht einmal die eine Stunde täglich im Freien verbracht, die sogar Gefängnis- insassen zusteht (vgl. StVG §43). Dies ist nicht nur dem digitalen Zeitalter geschuldet (Rideout, Foehr & Roberts, 2010); auch bei der Konzeption und Planung von Bildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen wird die Qualität des Außenraums wenig bis gar nicht mitgedacht, was dann in einfach zu pflegenden, komplett versiegelten Schulhöfen mit Spielgeräten aus dem Katalog resultiert. Dabei könn- te die Schule hier einen Beitrag zum Ausgleich sozialer Ungerechtigkeiten leisten, da Kinder und Jugendliche so- zioökonomisch benachteiligter Familien nachweislich in weniger „grünen“ Gegenden wohnen (Haring & Zelinka- Roitner, 2010). Dieser Nachteil wirkt sich mit bis zu 55% mehr psychischen Auffälligkeiten im Erwachsenenalter und einer verringerten, körperlichen Fitness aus (Kelz & Röderer, 2014), was letztlich zu einer geringeren Lebens- erwartung führt (Engemann et al., 2019). Das Angebot der längeren Betreuungszeiten an Schulen wird vorrangig von Kindern aus sozial benachteiligten Familien genutzt. So kann die nachteilige private Wohnsituation durch eine ent- wicklungsförderliche Gestaltung der Institutionen und des zugehörigen Außenraums hier einen Beitrag zur Chancen- gerechtigkeit leisten. Konkret bedeutet das: • Ausreichend Außenräume vorsehen, am besten direkt aus vielen Innenräumen zugänglich. • Viele Bäume, Sträucher, Büsche, Hecken und Wiesen pflanzen. • Keine versiegelten Oberflächen (Stichwort „Heat Is-

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