Psychische Gesundheit und Dankbarkeit – Studie

Prof. Roland Bernhard hat einen Artikel über die Zusammenhänge zwischen psychischer Gesundheit und der Charakterstärke der Dankbarkeit veröffentlicht und schlägt konkrete Maßnahmen vor, wie Schulen auf Basis internationaler Forschung niederschwellig und kostengünstig zur psychischen Gesundheit von Kindern beitragen können.

© Roland Bernhard

Kürzlich haben Katharina Hanyka und Katharina Rosenberger (KPH) eine Ausgabe des Hefts „Schulverwaltung“ herausgegeben, das sich mit dem Thema Wohlbefinden in der Schule beschäftigt. In dieser Ausgabe hat Roland Bernhard einen Artikel über den Zusammenhang zwischen Dankbarkeit und psychischer Gesundheit sowie die Förderung von Dankbarkeit in der schulischen Charakterbildung veröffentlicht. Hier die wichtigsten Informationen aus dem Artikel. 

Was ist Dankbarkeit?

Dankbarkeit als Charaktereigenschaft ist darauf ausgerichtet, das Positive im Leben wahrzunehmen und zu schätzen („count your blessings“) und sich die Zeit zu nehmen, anderen Menschen diese Dankbarkeit zu zeigen („danke sagen“). Neuere Forschungen haben gezeigt, dass Dankbarkeit in einer zuvor ungeahnten Weise mit der psychischen Gesundheit von Menschen korreliert. International führende Psychologen wie Park, Peterson & Seligman (2004) fanden heraus, dass kaum eine andere Charakterstärke stärkere Beziehungen zum persönlichen Wohlbefinden aufweist als die Dankbarkeit. Dankbare Menschen können nicht nur besser mit Stress umgehen, sie sind auch glücklicher, weniger häufig depressiv, nehmen seltener Drogen, schlafen besser und verfügen generell über mehr positive Charaktereigenschaften. Studien zeigen, dass sich Wohlbefinden, Depressionen und sogar die körperliche Gesundheit signifikant verbessern können, wenn Menschen dazu gebracht werden, sich einige Wochen lang auf das Gute in ihrem Leben zu konzentrieren und in diesem Zusammenhang Dankbarkeit zu erwecken.

Dabei ist es wichtig zu erwähnen, dass Dankbarkeit keine unveränderliche Charaktereigenschaft ist. Sie kann durch Übung erlernt werden und sich zu einer festen Charakterstärke entwickeln.

Psychische Gesundheit durch die Charakterstärke Dankbarkeit in der Schule fördern

Die positiven Wirkungen der Charakterstärke der Dankbarkeit lassen sich in der Schule fruchtbar machen, insbesondere in einer Zeit, die so stark von Krisen geprägt ist, wie das dritte Jahrtausend bisher. International existieren zahlreiche Best Practices für die Förderung der Charakterstärke der Dankbarkeit, die weltweit in Schulen und Bildungsregionen umgesetzt werden. Im Folgenden sollen einige davon kurz vorgestellt werden.

In vielen Schulen wird die Methode „Drei gute Dinge“ gefördert. Lernende schreiben am Ende eines Tages drei gute Dinge auf, die ihnen an diesem Tag widerfahren sind. Dann denken sie ein paar Minuten, am besten schriftlich, darüber nach, wie und warum es zu diesen guten Dingen gekommen ist. Durch das Führen von „Dankbarkeitstagebüchern“ kann eine solche Praxis zur Routine gemacht werden. Der positive Effekt solcher Rituale auf die Gesundheit ist wissenschaftlich gut belegt.

Eine andere einfache Methode ist die „Dankbarkeitsbox“. Eine solche wird im Klassenzimmer aufgestellt. Sie beinhaltet ein kleines Fach für alle Personen der Klasse (Lehrpersonen und Lernende). Wenn nun jemand in der Klasse etwas bemerkt hat, wofür er oder sie einer anderen Person in der Klasse dankbar sein kann, wird dies (anonym oder mit Klarnamen) auf einem kleinen Zettel notiert und in das Fach der entsprechenden Person gesteckt. Dankbarkeitsboxen richten die Aufmerksamkeit der Klasse auf die guten Dinge, die dort passieren, und entsprechende Notizen wirken als Verstärker.

In anderen Schulen gibt es „öffentliche Dankbarkeitsbekundungen“, bei denen Lernende im Klassenverband oder sogar im Schulverband vor anderen aufstehen und öffentlich bekunden, wofür sie dankbar sind. Eine Londoner Schule in soziökonomisch sehr herausfordernder Lage erlangte weltweit Bekanntheit für diese Praxis. Die Schule war im Übrigen trotz einer hohen Anzahl benachteiligter Kinder im Jahr 2022 jene öffentliche Schule Englands, welche im Vergleich zu allen anderen Schulen den größten Lernzuwachs ihrer Lernenden zustande brachte und dafür von der Regierung geehrt wurde. 

Empirisch sehr gut erforscht ist der positive Einfluss von Dankbarkeitsbriefen auf die psychische Gesundheit. Dies wird im Folgenden näher ausgeführt.

Dankbarkeitsbriefe und die psychische Gesundheit

Wenn Menschen darüber reflektieren, wem sie in ihrem Leben wofür dankbar sind (für Lernende können das Eltern, Lehrkräfte, Großeltern, Freunde etc. sein) und einen Brief an diese Person schreiben, der dann im Idealfall dieser Person vorgelesen wird, spricht man von einem Dankbarkeitsbrief. Schulleitungen, Lehrkräfte und Personen in den Bildungsadministrationen vieler Länder fördern das Schreiben solcher Dankbarkeitsbriefe.

Folgende Schritte werden beim Schreiben eines Dankbarkeitsbriefes vorgeschlagen:

  1. Eine Schülerin nimmt sich einen Moment Zeit und denkt an jemanden, der oder die ihr Leben positiv beeinflusst hat und den oder die sie schätzt.
  2. Dann schreibt sie dieser Person einen Brief und beschreibt darin, was diese Person für sie getan hat, warum sie ihr dankbar ist und wie sie sich fühlt, wenn sie daran denkt (ca. 300 Wörter, konkret und spezifisch).
  3. Im Idealfall wird der entsprechende Brief der Person vorgelesen (z.B. per Telefon) und der Inhalt des Briefes besprochen.

Studien zeigen, dass allein diese Tätigkeit das psychiche Wohlbefinden derjenigen, die den Brief schreiben und den Dank aussprechen, signifikant steigert und dass die entsprechenden positiven Effekte auf die Psyche – beispielsweise eine Minderung von Depressionen – sogar noch einen Monat danach (!) gemessen werden können (Tomasulo, 2020, S. 129). Sehen Sie hier ein Video, in dem dieses Phänomen auf anschauliche Weise von einer Forschungsgruppe dargestellt wird.

Das renommierte „Jubilee Centre for Character and Virtues“ an der Universität Birmingham (UK) (vgl. Harrison & Bernhard, 2023), in dessen „Framework for Character Education in Schools“ auch die Charakterstärke der Dankbarkeit eine wichtige Rolle spielt, organisiert nationale Dankbarkeitsbrief-Wettbewerbe. 2020 wurde ein Aufruf an Englands Schulen verschickt, mit der Aufforderung an die Lernenden, einen Dankbarkeitsbrief für jemanden zu schreiben, der oder die während der Zeit der Pandemie einen besonderen Beitrag für andere geleistet hatte. Viele Briefe aus ganz England gingen ein, und die besten Briefe wurden mit einem Preis ausgezeichnet. Dies hat dazu geführt, dass sich viele Tausende junge Menschen darüber Gedanken machten, wofür sie dankbar sein können.

Förderung der Dankbarkeit für die psychiche Gesundheit

Die Dankbarkeit ist eine Charakterstärke, die nicht nur aufgrund ihres erstaunlich positiven Einflusses auf die psychische Gesundheit in Schulen explizit gefördert werden sollte. Diesbezügliche Interventionen lassen sich ohne großen Aufwand und Kosten schnell in Schulen einführen, wenn entsprechende niederschwellige Unterrichtsmaterialien existieren. Es ist davon auszugehen, dass sie aufgrund der wissenschaftlich so klar belegten Wirksamkeit und der Eingängigkeit, mit der Dankbarkeitsinterventionen argumentiert werden können, von Lehrpersonen gut angenommen werden.

Bildungsdirektionen, Pädagogische Hochschulen, Schulämter, NGOs oder andere Organisationen könnten diesen Prozess unterstützen, indem sie nationale Dankbarkeitsbrief-Wettbewerbe oder Ähnliches organisieren und die damit zusammenhängenden Aussendungen an Schulen dafür nutzen, Forschungsergebnisse zur Bedeutung von Dankbarkeit weit in der Schulpraxis zu verbreiten.

Literaturangaben befinden sich im oben verlinkten SchulVerwaltungsartikel. 

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